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Fred Forbat (Bildmitte) auf der Baustelle der Reichsforschungssiedlung
Haselhorst, um 1931 (Familienarchiv Heider)


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Die Lebenserinnerungen des Architekten Fred Forbat

VOM BAUHAUS NACH BERLIN, MOSKAU, STOCKHOLM


Von Michael Bienert

Fred Forbat war weder Schüler noch Lehrer am Bauhaus, alleine schon deswegen taucht sein Name in den vielen Publikationen über die berühmte Kunstschule nur am Rande auf. Die Veröffentlichung seiner Lebenserinnerungen rückt nun einen der besten Vertreter des Neuen Bauens der 1920er-Jahre ins rechte Licht.

Als der Dreiundzwanzigjährige im Jahr 1920 im Weimarer Bauhausgebäude als Architekt im Privatatelier des Schulgründers Walter Gropius anfing, hatte er schon ein Studium in München abgeschlossen. Sofort nach dem Architekturexamen sollte er sich damals in einem Gefängnis melden, um als unerwünschter Ausländer aus Bayern abgeschoben werden. Gropius machte den patenten jungen Mann zum Bauleiter einer Villa, die der Bauunternehmer Adolf Sommerfeld für sich in Berlin errichten ließ und die von den Bauhauswerkstätten ausgestattet wurde. Später betraute Gropius Forbat mit der Gesamtplanung der nie realisierten Bauhaussiedlung in Weimar.
 
Seine Ehefrau lernte Forbat verkleidet bei einer der legendären Bauhausfeten kennen und Hannes Meyer, der Nachfolger von Gropius als Bauhausdirektor in Dessau, bot Forbat eine Professur als Architekturlehrer an, die dieser wegen eigener Bauaufträge in Berlin jedoch ausschlug. Forbat entwarf das Mommsenstadion und Wohnzeilen in der „Ringsiedlung“ Siemensstadt, die heute zum Weltkulturerbe gehören, und er leitete im Auftrag von Adolf Sommerfeld den Aufbau von tausenden Holzhäusern für Flüchtlinge in Mazedonien. Seit 1928 war Forbat deutscher Staatsbürger, damals gründete er ein eigenes Büro und war auf dem besten Weg, ein Stararchitekt des Neuen Bauens in Berlin zu werden. Zu seinen Förderern gehörte der Stadtbaurat Martin Wagner. So kam es, dass Forbat 1930 mit der Planung von 1200 Wohnungen in der Reichsforschungssiedlung Spandau-Haselhorst betraut wurde und nicht sein Mentor Walter Gropius, der den vorausgegangenen Wettbewerb gewonnen hatte.
 
Ferienhaus in Pécs nach einem Entwurf von Fred Forbat, 1936


Nach Angriffen wegen seiner jüdisch-ungarischen Herkunft ging Forbat auf Einladung von Ernst May als Stadtplaner in die Sowjetunion, ein Abenteuer, das er nach einem Jahr desillusioniert abbrach. Die Rückkehr nach Deutschland war Forbat durch die Machtübernahme der Nazis versperrt, die Staatsbürgerschaft wurde ihm entzogen. Auch der Neuanfang als Architekt in Ungarn war wegen des wachsenden Antisemitismus mühsam. Im Jahr 1938 war Forbat erneut zur Emigration gezwungen. Die in Ungarn zurückgebliebenen Familienmitglieder wurden 1944 deportiert und ermordet. Der Plan des Mentors und Freundes Walter Gropius, Forbat als Architekturlehrer in die USA zu holen, scheiterte. Eine Zuflucht bot Schweden, wo er bis heute als einer der maßgeblichen Städteplaner der Nachkriegszeit in Ehren gehalten wird.
 
Nach seiner Pensionierung im Jahr 1962 begann Forbat seine „Erinnerungen eines Architekten aus vier Ländern“ aufzuschreiben. Etwa ein Drittel lag als veröffentlichungsreifes Typoskript vor, als er 1972 in Schweden starb. Zur geplanten Publikation kam es nicht. Nun hat das Berliner Bauhaus-Archiv den sachlichen Lebensbericht in seiner Dokumenten-Reihe veröffentlicht, ungekürzt und ohne die sprachlichen Unebenheiten des deutsch schreibenden Ungarn mit zuletzt schwedischem Pass ganz zu glätten.
 
Forbat war ein gebildeter und selbstbewusster, dabei ganz uneitler und undogmatischer Architekt. Er war ein umsichtiger Planer, dessen Bauten elegant Akzente setzten, aber nie aufdringlich oder gleichgültig gegenüber ihrer Umgebung wirkten. Auch in seinen Lebenserinnerungen gibt er sich oft sehr zurückhaltend, schildert statt eigener Befindlichkeiten lieber das internationale Netzwerk von Bekannten und Kollegen, die ihn förderten. Was dem Text seiner Lebenserinnerungen bisweilen an Anschaulichkeit fehlt, ergänzen Fotos und Zeichnungen, die Forbat noch selbst für die Publikation ausgesucht hat. So gibt sein Lebensbericht den bisher umfassendsten Überblick über das versprengte Schaffen eines exzellenten jüdischen Architekten, dem der Erfolg hierzulande nicht gegönnt wurde und der trotz seiner engen Anbindung an das weltberühmte Bauhaus weitgehend unbekannt geblieben ist.


Fred Forbat: Erinnerungen eines Architekten aus vier Ländern. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Sibylle Hoiman. Dokumente aus dem Bauhaus-Archiv Berlin, Band 5, Berlin 2019, 232 Seiten, 18,90 Euro
Bestellbar im Bauhaus-Shop


















 
 
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