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![]() Das Dach der neuen Abteilung im Cour Visconti des Louvre
PARIS ENTDECKT DIE ISLAMISCHE KUNST NEU Ein fliegender Teppich für die Kunst Der Louvre in Paris hat eine neue Abteilung für islamische Kunst eröffnet - die spektakulärste Erweiterung des Museums seit dem Bau der Pyramide von I. M. Pei im Innenhof. Von Elke Linda Buchholz Im Cour Visconti des Louvre ist ein sanft gewellter, golden schimmernder Teppich gelandet. Das aus Metallfäden und Glas konstruierte Dach legt sich schützend und scheinbar schwerelos über die neue Abteilung für islamische Kunst. Von oben gesehen wirkt die Außenhaut undurchsichtig wie eine bewegte Dünenlandschaft. Von innen aber lässt sie das Sonnenlicht durchscheinen, als sei sie ein hauchzarter Seidenschleier. Die aus 2350 Dreiecken montierte Dachkonstruktion ruht auf nur acht dünnen, schrägen Metallsäulen. Dem rechtwinkligen Klassizismus der steinernen Hoffassaden setzen die Architekten Rudy Ricciotti und Mario Bellini viel Schwung, Licht und Leichtigkeit entgegen - und wahren zugleich behutsam Distanz zu den historischen Palastfronten des bisher ungenutzten Cour Visconti. Um zusätzlich noch Ausstellungsfläche im Untergeschoss zu gewinnen, wurde das Terrain so tief ausgeschachtet, dass die Architekten fürchteten, die Hoffassaden des 17. Jahrhunderts könnten einstürzten. Doch der Geniestreich ist gelungen: eine Geste der Freundschaft und des Willkommens für die hier auratisch in Szene gesetzten Kostbarkeiten der islamischen Welt. 98 Millionen Euro hat das größte Erweiterungsprojekt des Louvre seit dem Bau der Pyramide von I. M. Pei gekostet. Fast die Hälfte davon kam aus Spenden zusammen. Der König von Marokko, der Emir von Kuwait, der Sultan von Oman und ein saudischer Prinz lieferten sich einen regelrechten Wettstreit, flankiert von Firmen wie dem Ölkonzern Total. Dem französischen Staatspräsidenten François Hollande fiel das Prachtstück, zu dem Jacques Chirac 2003 den Anstoß gegeben hatte, gleichsam in den Schoß. Er nutzte die Eröffnung, um die Vielfalt, Toleranz und Würde der islamischen Kulturen zu betonen, als leuchtendes Gegenbild zum Terror engstirniger Islamisten. Mit 18 000 Objekten besitzt der Louvre eine der größten Sammlungen islamischer Kunst in der Welt. Die 3000 ausgestellten Keramiken, Textilien, Schnitzereien und Metallarbeiten umspannen elf Jahrhunderte. Im sanft gefilterten Tageslicht der oberen Etage sind die raren Zeugnisse der Frühzeit des Islams ausgebreitet, das geheimnisvolle Halbdunkel des Untergeschosses schützt lichtempfindliche Teppiche und Buchmalereien - und bringt Preziosen vom 11. bis 18. Jahrhundert mit Spotlights zum Leuchten. Nicht alles verströmt seinen Zauber so unmittelbar wie die Perlen und Glasflakons aus dem Iran des 8. Jahrhunderts. Von mancher Keramik blieb nur eine Scherbe, über deren Kalligrafie Fachleute bis heute rätseln. ![]() Schon Jahrhunderte zuvor gelangten islamische Kunstgegenstände ins Abendland. Der Abt des Klosters St. Denis hielt bereits 1152 eine Bergkristallkanne in Händen, die um das Jahr 1000 am Fatimiden-Hof in Kairo aus dem spröden, glasklaren Material geschnitten wurde. 1793 gehörte das Prachtstück zum Gründungsbestand des Louvre. Eine wuchtige, mit Reiterkämpfen geschmückte Bronzeschale aus Syrien oder Ägypten ist längst ein französisches Nationalheiligtum: In diesem Becken wurde Ludwig XIII. 1601 in Fontainebleau getauft - und nach ihm Generationen von Königen Frankreichs. Eine Elfenbeindose für den Sohn des Kalifen von Cordoba entführt einen ins islamische Spanien. Auf dem fein geschnitzten Rund ziehen Falkner auf die Jagd, reißen Löwen ihre Beute: Daraus sprach der Machtanspruch des Herrschers. Das islamische Bilderverbot, Menschen und Tiere abzubilden, galt nur für den religiösen Bereich, nicht für die höfische Kunst. Ein stolzer Pfau reckt als vier Kilo schweres Gießgefäß den Hals. Wie die arabische Inschrift verrät, wurde er 972 von 'Abd al-Malik, dem Christen' geschaffen, mitten im Herzen des islamischen Spaniens - immer wieder stößt man im Louvre auf faszinierende Zeugnisse des Kulturaustauschs. ![]() Aus Moghul-Indien kommen die fein durchbrochenen 'Jali'-Gitterfenster aus rotem Sandstein, hinter denen die Frauen im schattigen Inneren der Häuser lebten - und von ebendort stammen auch erlesene Prunkwaffen. Einen blitzenden Dolch ziert ein Griff aus Glück bringender Jade in Form eines Pferdekopfes, mit rot glühenden Rubinaugen. Das zierlich geschwungene Meisterstück war zugleich eine todbringende Waffe, deren Damaszenerklinge durch ein Kettenhemd stoßen konnte. Was in der neuen Islam-Abteilung des Louvre zu sehen ist, ist keine Kunst für den flüchtigen Blick. Jedes einzelne Stück will eingehend betrachtet sein, um den besonderen Zauber seiner Farben, Formen und Symbole zu enthüllen. Der Prinz aus Buchara auf einer mit feinstem Pinsel ausgeführten Buchmalerei macht es vor: Lächelnd versenkt er sich in ein aufgeschlagenes Kalligrafiealbum mit poetischen Versen. Und auf seinem Mantel tummeln sich dicht gedrängte Figuren, sich zutrinkend, umarmend oder kämpfend, zwischen Affen, Hasen und Leoparden, als sei die ganze Fülle der Poesie in das Gewand des lesenden Prinzen eingewoben. ![]() ![]() ![]() ![]() ERSTDRUCK: Stuttgarter Zeitung vom 20. September 2012 © Fotos: Elke Linda Buchholz |
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