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DIE HUMBOLDT-BOX

Kolonialwarenladen mit Aussicht


Von Michael Bienert

Die Humboldt-Box war noch nicht fertig, da ätzte schon ein Berliner Boulevardblatt auf der Titelseite gegen den hässlichen „Schloss-Klops”. Auch manch seriöser Feuilletonist findet das neue Infozentrum auf dem Schlossplatz zum Abgewöhnen. Dass so ein temporärer Zweckbau auf einer Großbaustelle ein echter Hingucker sein kann, hatte die knallrote Infokiste am Potsdamer Platz in den Neunzigern bewiesen. Jetzt sind viele enttäuscht, weil sie einen ähnlichen Geniestreich erwartet haben, der acht Jahre bis zur geplanten Fertigstellung der Stadtschlosskulisse überbrücken soll.

Zwischen Dom und Zeughaus, Altem Museum und Friedrichswerder Kirche wollte das Berliner Architekturbüro Krüger Schuberth Vandreike einen zeitgenössischen Akzent setzen. Damit der Baukörper weniger klobig wirkt, spannten sie halb durchsichtiges Gewebe zwischen die schiefwinklig gekreuzten Stahlstreben der Fassade. Nachts leuchten die blauen Farbfelder von innen. Die Textilfassade ist austauschbar, bis zum geplanten Abriss in etwa acht Jahren wird sich das Gebäude in wechselnder Verkleidung zeigen.

Man muss den Architekten zugutehalten, dass sie eine vertrackte Bauaufgabe zu lösen hatten. Es war schon schwer, überhaupt einen Flecken Erde am Schlossplatz zu finden, der in den kommenden Jahren nicht für den Schloss- oder U-Bahn-Bau umgepflügt werden muss oder für die Logistik gebraucht wird. Der nur 20 mal 30 Meter große Bauplatz für die Box musste am Boden zum großen Teil frei bleiben, um Leitungstrassen zugänglich zu halten. Daher steht sie wie ein futuristisches Schrankmöbel auf dicken Füßen, die als Aufgänge zu den fünf oberen Stockwerken dienen. Das ganze Bauwerk ist 28 Meter hoch aufgetürmt, ungefähr genauso tief reichen die Bohrpfähle im sandig-sumpfigen Untergrund, mit dem schon frühere Schlossbaumeister ihre liebe Not hatten.

Die Box musste sich mächtig in die Höhe strecken und bauchig auswölben, damit alles reinpasst, was hineinmusste: Ausstellungsflächen für den Schlossbauverein, für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, für Humboldt-Uni und Staatsbibliothek, aber auch Shops und genügend Raum für Events und Gastronomie, weil das Infocenter den Steuerzahler fast nichts kosten sollte. Mit Bau und Betrieb ist die Firma Megaposter beauftragt. Sie veranschlagt die anfallenden Kosten bis zum Abriss auf 15 Millionen Euro, die reinen Baukosten sollen bei sechs Millionen gelegen haben.

Wenn die Rechnung aufgeht, dann dank dem grandiosen Ausblick, den Besucher oben in der Dachlounge mit einem Drink in der Hand genießen können. Durch die Allee Unter den Linden schaut man zum Brandenburger Tor und zur Siegessäule, auch viele andere Hauptsehenswürdigkeiten der Stadtmitte hat man im Blick. Noch nie gab es die Sicht aus der Vogelschau auf die ausgegrabenen Fundamente des Stadtschlosses, die zum größten Teil bald unter der Kopie verschwunden sein werden.

In den drei Ausstellungsetagen der Box gehen die Schlossfassadenfreunde und die künftigen Nutzer des Humboldt-Forums wie gewohnt getrennte Wege. Der Förderverein hat sein großes Innenstadtmodell aufgebaut, das den Glanz vergangener Zeiten beschwört, und gleich daneben einen Spendenautomaten gestellt. Die Staatlichen Museen, die Humboldt-Universität und die Landesbibliothek als künftige Hauptnutzer geben einen Vorgeschmack darauf, was künftig hinter der Schlossfassade zu sehen sein könnte. Wo einst Wilhelm II. residierte, wird ein afrikanischer Königsthron ausgestellt. Der Kameruner König Njoya schenkte ihn 1908 dem deutschen Kaiser, um dessen Kolonialpolitik günstig zu beeinflussen. Vor dem Ersten Weltkrieg reisten preußische Archäologen ins zentralasiatische Turfan, auf der Suche nach den Schätzen der legendären Seidenstraße. So kamen etwa die Wandmalereien aus der „Höhle der 16 Schwertträger” nach Berlin, die im Humboldt-Forum rekonstruiert werden soll.

Vor einem Großfoto vom Porzellanmarkt der Stadt Jingdezhen haben Mitarbeiter des Asiatischen Museums in Berlin 2000 weiße Teller aus hiesiger Produktion aufgestapelt. In aller Kürze erzählt ihre Ausstellungsecke die Geschichte des Porzellanexports in die islamische Welt und bis nach Europa. Eine tiefblaue Karaffe, passend zur Ornamentik arabischer Paläste, zeigt die Anpassungsfähigkeit der chinesischen Produzenten an ihre Auftraggeber schon vor 400 Jahren. Umgekehrt blühte im 18. Jahrhundert im sächsischen Meißen die Produktpiraterie: In einer Vitrine steht ein Teekännchen aus der Qing-Dynastie in Gestalt eines Phönix neben einem frühen Meißner Porzellan von nahezu identischer Form, dessen bunte Bemalung jedoch einen Hahn darstellen soll.

Globale Geschichten von der weltweiten Ausbreitung der Zitrusfrüchte und vom Aufeinandertreffen chinesischer und westlicher Medizin kann die Ausstellung nur anreißen. In Alkohol eingelegte Frösche aus dem Naturkundemuseum illustrieren ein aktuelles Forschungsprojekt der Universität über deren Rolle in afrikanischen Ökosystemen. Die schicke Leselounge der Landesbibliothek mit Panoramablick auf den Lustgarten vervollständigt den kulturellen Gemischtwarenladen.

Die Aussteller wollen den Showroom am Schlossplatz jährlich neu möblieren, bis das geräumige Humboldt-Forum hinter der Barockfassade nebenan endlich fertig ist. Die Humboldt-Box weckt keine stürmische Begeisterung für das Projekt. Sie lässt ahnen, woran es krankt: Das Humboldt-Forum soll zu viele divergierende Interessen bedienen, die sich auf diesen zentralen Ort in der Mitte der Hauptstadt fixiert haben.

Geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr, Aussichtsterrasse bis 23 Uhr, weiteres unter www.humboldt-box.com

Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG, 5. Juli 2011
© für Text und Fotos: Michael Bienert


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Michael Bienert
Elke Linda Buchholz
Stille Winkel in
Potsdam


Ellert & Richter Verlag

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128 Seiten mit
23 Abbildungen und Karte Hardcover mit Schutzumschlag
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