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Auf der Schillerhöhe in Marbach

KULTURPOLITIK


Mehr Macht für Geldgeber und Wissenschaftler

Der Wissenschaftsrat erläutert seine Empfehlungen für die Zukunft des Deutschen Literaturarchivs in Marbach und der Klassik-Stiftung Weimar.

Von Michael Bienert

Wie das ist, wenn staatliche Geldgeber munter in eine Kulturinstitution hineinregieren, war kürzlich an der Stiftung Weimarer Klassik zu besichtigen: Erst erklärte der thüringische Kultusminister den Stiftungspräsidenten Hellmut Seemann öffentlich zum Versager, dann durfte dieser sich erneut um das Amt bewerben. Im April dann wählte der Stiftungsrat Seemann überraschend für weitere vier Jahre. Als Argumentationshilfe diente eine Evaluierung durch den Wissenschaftsrat, die gestern in Berlin offiziell vorgestellt wurde.

Das Papier bescheinigt Seemann, die Klassikstiftung erheblich vorangebracht zu haben. Es unterstützt ausdrücklich seine Linie, „den Bogen von der Weimarer Klassik bis in die Gegenwart zu schlagen”, also Bauhaus und Buchenwald als Fixpunkte im Kosmos Weimar neben Goethe und Schiller zu verankern. Viele ungelöste Probleme aber hingen damit zusammen, „dass der Stiftung die notwendigen Mittel fehlen, um ihre umfangreichen Aufgaben nachzukommen”, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates Wolfgang Marquardt. Wenn die Geldgeber knausern, geht halt alles nicht so rasch wie gewünscht.

Mehr Geld fordert der Wissenschaftsrat außerdem für neue Magazine des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, für mehr Bibliothekare und wissenschaftliches Personal, für Tagungen und einen angemessenen Erwerbungsetat. Gleichzeitig mahnen die Gutachter erneut eine Professionalisierung der Leitungsstrukturen an. Trägerverein des Literaturarchivs ist die Deutsche Schillergesellschaft, zentrales Wahl- und Entscheidungsgremium ist ein 33-köpfiger Ausschuss, in dem die Vereinsmitglieder die Mehrheit haben. Der Wissenschaftsrat schlägt vor, dieses Gremium zu verschlanken und neu zu besetzen: Ein Drittel der Stimmen fiele jeweils an „Hauptzuwendungsgeber” Land und Bund, an externe Wissenschaftler und an Vereinsmitgliedern. Dieser Ausschuss soll künftig den Präsidenten der Schillergesellschaft und den Direktor wählen, wobei Letzterer aber nur noch mit dem Plazet der Geldgeber inthronisiert werden darf.

Der Gründungsverein des Archivs müsste also Macht abgeben, außerdem soll der Direktor größeren Entscheidungsspielraum erhalten. Dazu wäre ein Satzungsänderung nötig - und genau die ist 2009 nach und trotz monatelanger Debatten am Widerstand der Vereinsmitglieder gescheitert. Daher schlägt der Wissenschaftsrat vor, einen neuerlichen Reformprozess durch externe Sachverständige moderieren zu lassen. Bei anhaltender Verweigerung sollten Bund und Land selbst eine Trägergesellschaft für die Betriebsführung des Archivs gründen, um ihren Einfluss zu sichern. Zum Beispiel eine Stiftung nach Weimarer Vorbild - was nach den Querelen um Seemann auf wenig Gegenliebe auf der Schillerhöhe stoßen dürfte.

Um die Ausstrahlung Marbachs weiter zu steigern, schlägt der Wissenschaftsrat einen Verbund mit der Herzog August Bibliothek und der Klassik Stiftung Weimar vor, wobei alle drei Einrichtungen rechtlich selbstständig bleiben sollen. Die Zuständigkeit soll dann vom Kulturstaatsminister auf das Bundesforschungsministerium übergehen. Dass der Wissenschaftsrat die Zukunft Marbachs grundsätzlich in einer größeren Nähe zum Wissenschaftsbetrieb sieht, liegt wohl in der Natur dieses Gremiums. Zu einer Institution von nationalem Rang ist das Deutsche Literaturarchiv allerdings nicht geworden, weil es sich immer wissenschaftskonform verhalten hätte, sondern vor allem durch unermüdliches bürgerschaftliches Engagement und ideenreiche Literaturvermittlung ohne Scheuklappen. Wie dieses Profil geschärft werden könnte, dazu sagt der Wissenschaftsrat nichts.

Die Gutachten sind auf der Seite www.wissenschaftsrat.de dokumentiert.

Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 24. Januar 2011
© Text und Foto: Michael Bienert













 Michael Bienert

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