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FILMPREMIERE  FRÜCHTE DES VERTRAUENS

Ökonomie und Eigensinn
Alexander Kluge stellt seinen neuen Film in der Volksbühne vor

von Michael Bienert

„Rettung kann man für Geld nicht kaufen“, heißt der letzte Teil des neuen 10-Stunden-Films von Alexander Kluge, der die Folgen der Finanzkrise reflektiert. Erst im vergangenen Jahr hatte er mit Nachrichten aus der ideologischen Antike ein ähnlich langes Werk herausgebracht, das Karl Marx als Klassiker der gesellschaftskritischen Analyse erneut in Stellung brachte. Die aktuelle Fortsetzung ist wieder ein Steinbruch aus stummfilmartigen Bild-Text-Montagen, Dokumentaraufnahmen und Interviews, diesmal mit Ökonomiefachleuten, dem Komiker Helge Schneider in der Rolle des Finanzmagiers Doktor Mabuse, mit den Schauspielern Martin Wuttke und Sophie Rois. Auch der Jubilar Schiller kommt zu Wort, denn seine Ballade „Die Bürgschaft“ verhandelt genau die Frage, um die Kluges Filmprojekt kreist: Wem können wir in diesen unsicheren Zeiten vertrauen?

Der herrschenden Geldökonomie jedenfalls nicht. Der große Finanzcrash vom Herbst 2008 war der Super-GAU eines außer Kontrolle geratenen Welthandelssystems. Der weltweite Computerhandel mit Finanzpapieren erwies sich als sowenig beherrschbar wie die Kettenreaktion im Atomreaktor von Tschernobyl. Warnende Beispiele für den rapiden Wertverfall von Gütern, Geld und Finanzpapieren bietet die Geschichte des Kapitalismus reichlich. Wie wäre es also, fragt Kluge, wenn wir endlich wieder unseren Empfindungen trauen würden, unserer Fähigkeit zur Analyse und unserer Vorstellungskraft?

Unsere Gesellschaft sei überreich an Ersatzhandlungen, sagte Kluge bei der Premiere einer zweistündigen Kinofassung seines Films, aber arm an konsequentem Nachdenken und Handeln. Kluges Filme und Bücher sind Apparate, die unsere Wahrnehmung auf existentielle Fragen fokussieren, ohne uns die Antworten abzunehmen. Wiederholungen bekannter Motive und Geschichten aus Kluges älteren Arbeiten gehören dazu: Seine Vorliebe für Grimms Märchen Das eigensinnige Kind zum Beispiel kennt man seit dem opus magnum Geschichte und Eigensinn aus dem Jahr 1981. Das eigentlich Überraschende ist, wie wenig verstaubt die Denkwerkzeuge wirken, die der 77-jährige Autor und Fimemacher aus seinem Fundus hervorholt. Sein Eigensinn und seine Unverbrauchtheit wirken ansteckend, mehr denn je.

„Früchte des Vertrauens“, 3 DVDs in der Filmedition Suhrkamp, 29,80 Euro.

Ins  Booklet zum Film kann man hineinlesen auf
http://www.suhrkamp.de/download/Blickinsbuch/9783518135150.pdf

Einen Ausschnitt aus Romuald Karmakars Beitrag zu den DVDs finden Sie hier: http://www.youtube.com/watch?v=3aF10OTICa0


© Michael Bienert  I  Auf www.text-der-stadt.de publiziert am 24. 11. 2009

























 








 
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Elke Linda Buchholz
Die Zwanziger Jahre
in Berlin. Ein Wegweiser durch die Stadt

Berlin Story Verlag
280 Seiten
19,80 Euro


 



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