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KULTURREPUBLIK I NATIONALFARBEN

Gold, Gelb oder Senf?

von Michael Bienert

Schwarz-rot-gelbe Basecaps, Schals, Stoffblumenketten und Fahnen gibts dieser Tage überall zu Ramschpreisen. Gummibären in den Nationalfarben und WM-Eis liegen im Supermarkt, kombiniert aus den Geschmacksrichtungen schwarze Johannisbeere, Kirsche und Ananas. Aber sind diese WM-Fanartikel nicht sämtlich verfassungswidrig? „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold“, sagt Artikel 22 des Grundgesetzes. Allerdings ist Gold ist eine ziemlich teure und exklusive Farbe.

Deshalb erlaubt die Heraldik, sie durch Gelb zu ersetzen. Davon macht die Bundesregierung Gebrauch, in deren seit 1999 verbindlichem  Corporate Design das teure Gold gar nicht vorkommt. Dafür ist der Gelbton genormt. Im Jahr 1959 hatte der Bundesgerichtshof die Bezeichnung der Bundesfarben als Schwarz-Rot-Gelb noch als „bösartige Beschimpfung des demokratischen Staatssymbols“ eingestuft. Seinerzeit klang den Richtern die nationalsozialistische Hetze gegen die Farben der Weimarer Republik in den Ohren. Deren Feinde verhöhnten den Goldstreifen als „Gelb“, „Senf“ oder „Mostrich“.

Heute ist so etwas wieder erlaubt. Vor zwei Jahren nämlich fällte das Bundesverfassungsgericht ein Urteil zugunsten eines Rechtsradikalen, der in einer Hetzrede gegen „Schwarz-Rot-Senf“ agitiert hatte. Das Amtsgericht Köln verdonnerte den Mann wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole zu einer Geldstrafe, die Verfassungsrichter jedoch stuften sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung höher ein.

Mit den Nationalfarben darf also im Grunde jeder machen, was er will. Wer etwa einen Halbmond auf den roten Streifen der Bundesfahne näht, um seine deutsch-türkische Heimatliebe zu demonstrieren, kann sich allemal auf die Meinungsfreiheit berufen. Auch das Hissen von DDR-Fähnchen mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz in der Mitte bleibt erlaubt.

Beide deutsche Staaten entschieden sich 1949 für Schwarz-Rot-Gold, um an die demokratische Tradition seit den Freiheitskriegen gegen Napoleon anzuknüpfen. Unter den Farben der  Märzrevolution von 1848 versammelte sich das erste frei gewählte Parlament in der Paulskirche. Im „Reichbanner Schwarz-Rot-Gold“ organisierten sich die Verteidiger der Weimarer Republik gegen Nazis und Kommunisten. Kaiserreich und Nazidiktatur grenzten sich mit Schwarz-Weiß-Rot gegen die Farben der Demokratie ab. Deshalb dürfen die Deutschen ruhig ein bisschen stolz sein auf ihr Schwarz-Rot-Gold, trotz der dummdreisten Geschäftemacherei mit den Nationalfarben.

Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG v. 5. Juni 2010
© Text und Foto: Michael Bienert
















 Michael Bienert

 Stille Winkel an der
 Berliner Mauer

 Ellert & Richter Verlag
 Hamburg 2009
 ISBN:
 978-3-8319-0365-8

 144 Seiten mit
 23 Abbildungen
 und 2 Karten
 Format: 12 x 20 cm;
 Hardcover mit
 Schutzumschlag
 Preis: 12.95 Euro
 


 
 
 

 










 

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