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THEATERKRITIK

Die Socken opus 124 von Daniel Colas. Deutschsprachige Uraufführung am Schlosspark-Theater am 2. September 2009. Mit Dieter Hallervorden und Ilja Richter. Regie: Katharina Thalbach.


Der Komiker wird Komödiant


von Michael Bienert

Didi ist tot, lang lebe Dieter Hallervorden! Früher zwang der mittlerweile 74-jährige Kabarettist die Leute durch seine Blödeleien zum Lachen, jetzt kann man nur den Hut ziehen vor seiner tätigen Liebe zum Theater. In Berlin hat Hallervorden das 1993 vom Senat aus falscher Sparsamkeit geschlossene Schlosspark-Theater wiedereröffnet und plant dort einen Spielbetrieb ohne Subventionen. Erfahrung als Theaterdirektor bringt er mit, seit 1960 leitet er das Kabarett „Die Wühlmäuse“. Aber ein Traditionshaus wie das Schlosspark-Theater wiederzubeleben, in dem Theaterhelden der westberliner Nachkriegszeit wie Hildegard Knef, Martin Held und sogar Samuel Beckett gearbeitet haben, bleibt eine höchst riskantes Unternehmen.

Bei einer Eröffnungsgala am Dienstag wurden die guten Geister des Hauses beschworen und - soweit noch am Leben - auf die Bühne gebeten. Alfred Biolek und Klaus Wowereit moderierten, wobei der Regierende Bürgermeister eine bessere Figur machte als der geistig abwesend wirkende Talkprofi. Künftig will Hallervorden die rund 450 engen Plätze im schlauchartigen Saal des verwinkelten Baus allabendlich mit gehobenen Unterhaltungsstücken füllen. Bei der ersten Premiere am Mittwoch saß gleich Bundespräsident Horst Köhler mit Gattin in der zweiten Reihe - eine schöne Geste der Anerkennung für den Mut des Bürgers Dieter Hallervorden, ohne große finanzielle Hilfe von staatlicher Seite einen kulturpolitischen Schandfleck in einem lebendigen Kulturort zurückzuverwandeln.

Der Hausherr stand selbst auf der Bühne, zusammen mit Ilja Richter, dem die Rückkehr aus dem Fernsehgeschäft in den Beruf als seriöser Theaterschauspieler schon vor Jahren glückte. Im Foyer erinnert ein Foto daran, dass Richter bereits 1966 hat als blutjunges Bürschlein im Schlosspark-Theater mitgespielt hat! Jetzt kann man dort erleben, wie Hallervorden sein lästiges Didi-Image endgültig hinter sich lässt. In der Regie von Katharina Thalbach verkörpert er mit großem Feingefühl einen verarmten, von seiner Frau verlassenen Theaterstar, der sich an die Hoffnung klammert, durch einen Rezitationsabend mit einem ebenso abgehalfterten Kollegen ein Comeback zu erzwingen.

„Die Socken Opus 124“ von Daniel Colas zeigt die beiden Schauspieler bei ihren Proben. Hallervorden gibt den erfahrenen Routinier Brémont, der sich widerwillig von seinem Partner in ein albernes Clownskostüm zwängen lässt. Mit ihren Eitelkeiten und Empfindlichkeiten reizen einander bis aufs Blut. Am Ende haben sie viel voneinander gelernt und werden beinahe Freunde. Ob sie auch einen Produzenten finden, der ihnen das ersehnte Comeback ermöglicht, bleibt offen. Das Stück war in Paris eine Riesenerfolg, in der deutschsprachigen Erstaufführung am Schlosspark-Theater allerdings wirkt es gestrig, geschwätzig und weniger komisch als sentimental.

Den Bühnenveteranen Hallervorden und Richter jedoch bietet das Stück reichlich Futter, um etwas über ihre Liebe zum Theater und die Tragik alternder Publikumslieblinge zu erzählen. Ein albern gackerndes, gleich beim ersten Auftreten der Schauspieler zu Szenenapplaus aufgelegtes Fanpublikum bringen sie rasch zur Ruhe. Umso heftiger der Riesenapplaus am Ende. Das in die Jahre gekommene westberliner Bürgertum ist überglücklich, es hat endlich wieder ein Theater, in dem es sich wiedererkennt.


Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 4. September 2009

Zum Spielplan: www.schlossparktheater.de


© Text und Fotos: Michael Bienert
















 










Michael Bienert
Mit Brecht durch Berlin
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