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PERGAMONMUSEUM

Das Pergamonmuseum muss saniert werden. Doch der Berliner Landesdenkmalrat sieht das Weltkulturerbe in Gefahr, wenn die Pläne der Stiftung Preußischer Kulturbesitz umgesetzt werden.

Von Michael Bienert

Der Stadtbahnsaal gehört zu den versteckten Sensationen des Berliner Pergamonmuseums. Bei der Wanderung durch die Säle mit Zeugnissen der Antike öffnet sich plötzlich eine Fensterreihe mit Ausblicken in die Moderne: Nur wenige Meter entfernt gleiten S-Bahnen und Fernzüge auf der Bahntrasse vorbei, die über zwei Spreearme und mitten über die Museumsinsel führt. Zählt dieser Fensterblick zum unantastbaren Weltkulturerbe oder nicht? Um diese Frage schwelt seit Jahren ein Streit zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die das Pergamonmuseum im Innern neu einrichten will und dem Berliner Landesdenkmalrat. Dieser Tage geht er in eine neue Runde.

Die Museumsleute wollen das verwinkelte und unübersichtliche Riesenhaus im Innern radikal umbauen. Künftig sollen die Touristen auf einem Rundgang an allen Hauptattraktionen vorbeigeschleust werden. Deshalb soll auch der Stadtbahnsaal im Nordflügel vergrößert werden und ein bisher zu wenig beachtetes Prunkstück der Sammlung dorthin umziehen. Zur Zeit steht die 33 Meter lange Fassade des jordanischen Wüstenschlosses Mschatta noch im Südflügel in einem Oberlichtsaal – beeindruckend, aber nur umständlich zu erreichen. Geplant ist nun, die Mschatta-Fassade vor den vermauerten Fenstern des Stadtbahnsaals aufzubauen, das Wüstenschloss würde dann nur noch unter Kunstlicht zu sehen sein.
 
Der Berliner Architekturkritiker Nikolaus Bernau, schärfster Gegner dieser Pläne, hält das für ein „Denkmalpflege-Desaster ersten Ranges“. Für ihn ist der Stadtbahnsaal ein Denkmal im Denkmal, das leichtfertig einem fragwürdigen Ausstellungskonzept geopfert werden soll. Die Gestaltung des Museumstraktes an der Stadtbahn war schon während der überlangen Erbauungszeit des Pergamonmuseums – von 1907 bis 1930 – umstritten. Für ein Deutsches Museum wurden zunächst romanische und gotische Gewölbe eingebaut. Auf Beschluss des Preußischen Landtages mussten sie ab 1926 wieder herausgerissen werden und einer nüchternen Gestaltung mit weißen Flachdecken weichen. Das wenig spektakuläre Erscheinungsbild, argumentiert Bernau, falle nur deshalb nicht als besonders wertvolles Denkmal ins Auge, weil es seither Vorbild für moderne Museumsräume auf der ganzen Welt geworden sei. Überhaupt verdiene das Pergamonmuseum besondere Sorgfalt, denn es sei, so Bernau, „das in seiner historischen Substanz wohl am besten erhaltene Museum Deutschlands“.

Den Umbauplanungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz liegen Überlegungen der Nachwendejahre zugrunde: Durch den Bau eines vierten Flügels zur Spree und einen Schnellrundgang an den Hauptsehenswürdigkeiten vorbei soll die Aufnahmekapazität des beliebtesten Berliner Museums von rund einer Millionen Besucher jährlich auf das Vierfache gesteigert. Im Jahr 2000 gewann der Architekt Oswald Mathias Ungers den Wettbewerb für die Umgestaltung, vor vier Jahr starb er. Der von ihm entworfene gläserne Riegel zur Spreeseite im typischen Ungers-Quadratstil wirkt schon heute altbacken, wie erst in 15 oder 20 Jahren? Die Ursprungsarchitekten Alfred Messel und Ludwig Hoffmann planten an dieser Stelle eine luftige Pfeilerhalle. Die Ungers-Lösung fand Gnade vor den Augen der Denkmalpfleger, weil dadurch eine Überdachung des ganzen Innenhofes zwischen den historischen Flügeln abgewendet wurde.
 
Doch die Umbauten im Inneren hat der Berliner Landesdenkmalrat bereits 2006 heftig kritisiert: „Die Schaffung von neubaugleichen Räumen, die nicht zu unterscheiden sind von neuen Ungers-Bauten, darf nicht das Ziel sein.“ Die Identität des Pergamonmuseums müsse auch beim Innenausbau gewahrt werden: „Alles Neue muss sensibel aus dem Bestand entwickelt werden.“ Die Denkmalexperten gewannen damals den Eindruck, dass sich die „kuratorischen Vorstellungen zum Teil verselbständigt“ hätten und „darum nicht mehr in Übereinstimmung mit dem Schutz der Substanz“ zu bringen seien.

Im März 2011 hat der Landesdenkmalrat seine Kritik in ungewohnt scharfer Form erneuert. Insbesondere den Stadtbahnsaal bezeichnet er als "raumprägend-konstituierenden Bestandteil des Baudenkmals". Um Formulierungen wurde lange gerungen, weil eine donnernde Breitseite gegen die Preußenstiftung die UNESCO-Wächter über das Kulturerbe aufschrecken dürfte. Kommt der Umgang der Stiftung mit dem Pergamonmuseum auf die Tagesordnung kommen, gerät der Baufahrplan in Gefahr: Der Nordflügel des Pergamonmuseums muss im kommenden Jahr geräumt werden, damit die 384 Millionen Euro teuren Bauarbeiten am 1. Januar 2013 losgehen können.

Da es der Stiftung in fünf Jahren nicht gelungen ist, ihre Kritiker einzubinden, versucht sie ihnen nun den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Ausführungsplanung für den Umbau des Pergamonmuseums erfolge „unter stetiger Mitwirkung und in kontinuierlicher Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt“, heißt es beschwichtigend im letzten Jahresbericht der Stiftung. Auf Nachfrage äußert man sich „überrascht“, dass sich der Landesdenkmalrat neuerlich mit der Sache befasst hat. Stiftungspräsident Hermann Parzinger gibt sich gesprächsbereit, will aber keine Abstriche an der neuen Museumskonzeption hinnehmen. Es müsse „einerseits dem Rang des Gebäudes Rechnung getragen werden, andererseits der einzigartigen Ausstellungskonzeption für die Sammlungen der archäologischen Museen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass die 1930 bei der Eröffnung des Gebäudes dort untergebrachten Sammlungen nicht identisch sind mit jenen, die nach der Sanierung des Gebäudes dort beheimatet sein werden.”

In einem Zeitschriftenbeitrag greift Parzinger seine Kritiker härter an: “Es führt nicht weiter, den Wert des Bauwerks gegen den Wert seiner exzeptionellen Architekturexponate auszuspielen, um denkmalpflegerische Maximalforderungen durchzusetzen“. Parzinger will ein neues „Gesamtkunstwerk“ aus Raumfolgen und Exponaten schaffen. Aber muss das Pergamonmuseum, fraglos ein Sanierungsfall, mit aller Macht zur perfekten Museumsmaschine umgekrempelt werden? Die Mängel und Macken des Baudenkmals haben seiner Beliebtheit bisher nicht geschadet. Genauso werden künftige Besucher Kompromisse bei der Ausstellungspräsentation akzeptieren, die dem Schutz der Denkmalsubstanz dienen. Ein Alternativvorschlag des Landesdenkmalrates für die Platzierung der Maschatta-Fassade liegt auf dem Tisch: Statt die Fenster zur Stadtbahn zu vermauern, soll das Monument gegenüber an der Mittelwand des Nordflügels aufgebaut werden - die Besucher würden dann beim Rundgang nicht darauf zusteuern, sondern könnten es als Portal benutzen, im Einklang mit seiner historischen Funktion.
 
Die Stellungnahme des Landesdenkmalrats im Wortlaut >.



MILLIARDENPROJEKT MUSEUMSINSEL Die Gesamtsanierung der Berliner Museumsinsel soll nach dem derzeitigen Planungsstand bis 2026 dauern, die Kosten werden auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt und vom Bund getragen. Bereits abgeschlossen sind die Sanierung der Alte Nationalgalerie (wiedereröffnet 2001), des Bode-Museums (2006) und  Wiederaufbau der Kriegsruine des Neues Museums (2009). Eine „Archäologische Promenade“ soll die Museen unterirdisch miteinander verbinden. Zur Zeit laufen die Gründungsarbeiten für ein neues zentrales Eingangsgebäude neben dem Pergamonmuseum, die von David Chipperfield entworfenen „James Simon-Galerie“. Im Sommer 2011 soll der Grundstein gelegt werden.


© Text und Foto: Michael Bienert













 Michael Bienert

 Stille Winkel an der
 Berliner Mauer

 Ellert & Richter Verlag
 Hamburg 2009
 ISBN:
 978-3-8319-0365-8

 144 Seiten mit Abb.
 Preis: 12.95 Euro
 


 
 
 

 










 

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