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KULTURMENSCHEN HARTMUT DORGERLOH


Schlossherr ohne Furcht und Adel

Hartmut Dorgerloh wuchs als Pfarrerssohn in Potsdam auf, heute verwaltet er dort das Weltkulturerbe. Und eckt dabei gerne an.

Von Michael Bienert

Im hohen Festsaal von Schloss Schönhausen kommt Hartmut Dorgerloh ins Schwärmen: „Mit diesem Raum versuchte die Hausherrin Elisabeth Christine Sanssouci zu übertreffen. Einen so gut erhaltenen Barocksaal gibt es sonst nirgendwo in Berlin.“ Elisabeth Christine war die Ehefrau Friedrichs des Großen, des Erbauers von Schloss Sanssouci in Potsdam, das heute zum Weltkulturerbe zählt. Friedrich schob sie im Krönungsjahr 1740 nach Schönhausen ab und vergnügte sich fortan lieber mit Männern. Eine Frau mit Geschmack und Charakter sei Elisabeth gewesen, sagt Dorgerloh, das könne man an ihrer restaurierten Sommerresidenz sehen.

Jetzt ist Dorgerloh der Schlossherr von Schönhausen und führt mit sichtlichem Vergnügen durch das aufpolierte Kleinod. Seit dem Jahr 2002 amtiert er als Generaldirektor der Stiftung Preußischen Schlösser und Gärten in Berlin und Brandenburg, damals war er gerade 40 Jahre alt, ziemlich jung für einen der attraktivsten Posten in der deutschen Museumslandschaft. Seine Stiftung verwaltet die in Staatsbesitz übergegangenen Immobilien der Hohenzollern, das sind rund 150 Baudenkmale, 30 Museen, 100.000 Kunstwerke und 720 Hektar Parks mit jährlich über 2 Millionen Besuchern. Schönhausen wurde erst 2005 in marodem Zustand vom Land Berlin an die Schlösserstiftung übertragen. Beim Umbau zum Museumsschloss war es Dorgerloh wichtig, die ganze Geschichte sichtbar zu machen. Also auch die Nutzung des Schlosses als Residenz des ersten und einzigen DDR-Staatspräsidenten Wilhelm Pieck. Dessen originales Arbeitszimmer kehrt aus dem Deutschen Historischen Museum nach Schönhausen zurück. Später diente das Schloss als Gästehaus der DDR-Regierung. Fidel Castro hat dort gewohnt. „Bonzenbarock“ nennt Dorgerloh die Hinterlassenschaften aus der Spätzeit der DDR. Auch ein Durchgangszimmer in diesem Stil wurde erhalten, mit verschnörkelten Prägemustern auf Kunststofftapeten und passenden Möbeln.

Schlösserchef Dorgerloh residiert preußisch-bescheiden in einem Hofmarschallhäuschen vor den Toren Sanssoucis. An Repräsentation liegt ihm wenig: „Es gibt drei große Themen, die ich in der Stiftung bewegen will. Das ist ein verbesserter Besucherservice, die Profililierung als Forschungseinrichtung und einen unverkrampfterer Umgang mit den historischen Schichten.“ Sieben Jahre nach seiner Inthronisation strahlt der Schlösserchef immer noch jugendlichen Ehrgeiz aus. Er will alles besser machen und macht sich damit nicht immer Freunde.

Dorgerloh scheut nicht vor unpopulären Maßnahmen zurück, um das Weltkulturerbe zu schützen. Dass jeder nach seiner Fasson in den königlichen Gärten selig werden kann, hält er für ein Mißverständnis. Als empfindliche Kunstwerke verdienen sie besondere Rücksicht. Deshalb gibt es eine Parkordnung, die beispielsweise das Fahrradfahren, Grillen oder Gassigehen mit unangeleinten Hunden in Sanssouci untersagt. Vor dem Amtsantritt Dorgerlohs nahm kaum jemand davon Notiz. Seither kontrollieren die Parkwächter strenger und verlangen auch mal Bußgelder.

Für viele Anlieger und Liebhaber ist Dorgerloh zum Buhmann geworden, weil seine Maßnahmen den Verdacht nähren, er würde Sanssouci am liebsten
nur noch gegen Eintritt für die Bevölkerung öffnen. In Versailles oder Schwetzingen ist das üblich, aber es widerspricht nun mal den lieben Potsdamer Gewohnheiten. Dorgerloh führte daher einen „freiwilligen Parkeintritt“ ein, den Mitarbeiter den Parkbesuchern nahelegen. „Das hat im Ergebnis dazu geführt, dass wir ein deutlich gestiegenes Bewusstsein für die Besonderheit dieser Gärten haben“, verteidigt Dorgerloh seine Strategie. Er probiert gern aus, wie weit er gehen kann. Schlägt die Empörung hoch, gibt er sich allerdings kompromissbereit. Für die Fahrradfahrer hat die Stiftung inzwischen Strecken durch die Parks ausgewiesen. „Man darf bei uns auch grillen und baden, aber nicht überall.“ Regelwerke seien wichtig und notwendig, um den Charakter der Welterbestätten mit den Freizeitbedürfnissen in Einklang zu bringen.

Fotografen und Presse hat Dorgerloh durch einen Rechtsstreit gegen die renommierte Agentur Ostkreuz provoziert. Er möchte durchsetzen, dass seine Stiftung an dem Geschäft mit Fotos von den Schlössern und Parks mitverdient. Gescheitert ist ein Versuch der Schlösserstiftung, nur noch von ihr selbst ausgebildete Fremdenführer in den Parks zuzulassen. Für die Prüfung hätten diese jährlich zahlen müssen - kein Wunder, dass Dorgerloh außerhalb der Stiftung den zweifelhaften Ruf eines rücksichtslosen Abkassierers genießt.

Dabei ist er im Grunde ein Schöngeist. 1962 in Berlin geboren, wuchs Dorgerloh in Potsdam als Sohn eines Pfarrers auf. Kirche und Pfarrhaus lagen am Fuß des Pfingstbergs nicht weit von der Grenze zu Westberlin. Direkt an den Garten grenzte die graue Mauer eines sowjetischen Militärwohngebiets, in dem sich auch ein KGB-Gefängnis befand. Die verwunschenen Ruinen des mittlerweile prächtig wiederhergestellten Belvedereschlosses auf dem Pfingstberg waren Spielrevier für das Kind. In einem sozialistischen Jugenclub kam er mit preußischer Geschichte in Berührung, in den Schulferien arbeitete er als Park- und Schlossführer. Dorgerloh studierte Kunstgeschichte und klassische Archäologie in Ostberlin und arbeitete in der Wendezeit am Institut für Denkmalpflege der DDR.

Der Verlust historischer Bausubstanz in der DDR habe ihn zur Denkmalpflege gebracht und zeitweise in die Politik. 1991 wurde er Referatsleiter für Denkmalschutz im brandenburgischen Innenministerium: „Aber Beamter wollte ich eigentlich nie sein.“ Als Verwalter der preußischen Schlösser und Gärten bleibt Dorgerloh noch viel zu retten, zu reparieren und aufzupolieren. Er hat einen Masterplan für Sanierungsmaßnahmen aufstellen lassen und die Politiker im Bund, in Berlin und Brandenburg davon überzeugt, dass dringend mehr Geld für den Erhalt der Denkmale nötig ist. Bis 2017 darf die Stiftung nun 155 Millionen Euro aus einem Sonderinvestitionsprogramm zusätzlich zum laufenden Haushalt verbauen - der größte Erfolg von Dorgerlohs bisheriger Amtszeit und genug Arbeit für die kommenden Jahre.

Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG v. 28. November 2009
© Text und Fotos: Michael Bienert





 

 
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