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Blick in die Ungers-Ausstellung (oben) und Modell der Erweiterung des Pergamonmuseums (unten)

Kalt, kälter, am kältesten
O.M. Ungers´ „Kosmos der Architektur“ in der Neuen Nationalgalerie

Von
Elke Linda Buchholz

Eine eisige Luft scheint die Bauten von Oskar Maria Ungers zu umwehen. Ist hier Leben möglich? Fotos zeigen seine Bauwerke menschenleer. Detailaufnahmen stilisieren die Häuser zu Bildern purer Abstraktion. Und erzählen von der Sehnsucht des Architekten, eine Klarheit und Reinheit zu erreichen, wie sie eigentlich nur in der abstrakten Kunst möglich ist.

Zum 80. Geburtstag inszeniert OMU, wie Mitarbeiter den Architekten nennen, sein Werk und seine Sammlung im Glaskubus der Berliner Nationalgalerie von Mies van der Rohe. Es ist die erste Ausstellung eines lebenden deutschen Architekten in diesem Tempel der Moderne. Links ringt ein gipserner Laokoon mit den Schlangen, rechts breitet die Nike von Samothrake ihre Flügel aus, und der Besucher weiß: Hier geht es um ästhetische Ewigkeitswerte.

Ungers´ „Kosmos der Architektur“, so der Ausstellungstitel, wird im Geviert von Kunst und Literatur umgrenzt. Auf weißen Wänden breitet der Architekt seine Privatsammlung aus: abstrakte Malerei von Piet Mondrian und Gerhard Richter, klassizistische Veduten aus der Schinkelzeit, antike Marmorskulpturen. Die klassische Architekturtheorie schlummert in kostbaren Originalausgaben von Alberti, Dürer, Piranesi oder Le Corbusier zwischen Buchrücken. Sie dürfen nur fünf Stunden in der Woche gezeigt werden. Ikonen der Baukunst wie Parthenon, Pantheon oder Bramantes Tempietto sind als dreidimensionale Gipsmodelle zu bewundern.

Gewöhnlich stehen sie bei Ungers zu Hause. Seine Sammlung ist für den Architekten Anschauungsobjekt, Denkmodell und Selbstbestätigung. So wie sie in der Nationalgalerie präsentiert wird, spiegelt sie aber auch Ungers´ Anspruch, sich in den ewigen Olymp der ganz großen Baukunst einzuschreiben. Ob sein Werk dem gerecht wird, kann der Besucher anhand von 38 ordentlich im Quadratraster aufgestellten Holzmodellen überprüfen.

Da sind die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe und die Badische Landesbibliothek, Wohnblöcke in Köln, Frankfurt und Berlin, aber auch nicht realisierte Projekte wie das Stuttgarter Haus der Geschichte. Ausgeführt oder nicht: Für Ungers zählt vor allem die Idee. Auch bei den Museen. Ungers´ längst vergessener Entwurf für das Berliner Kulturforum von 1965 ist ebenso zu sehen wie das 1984 eröffnete Architekturmuseum Frankfurt, der Neubau der Hamburger Kunsthalle (1996) oder das Wallraf-Richartz-Museum Köln (2001). Ein Modell des Berliner Pergamonmuseums zeigt den verglasten Ausstellungsriegel, der die beiden historischen Flügel am Kupfergraben verbinden soll. Beim Entwerfen musealer Räume ist Ungers ganz in seinem Element. Bereits seine Antrittsvorlesung an der Technischen Universität Berlin hatte er 1964 zum systematischen Nachdenken über die abendländische Museumsarchitektur genutzt. Sie ist jüngst in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Arch+ publiziert worden.

Bei seinem Lehrer Egon Eiermann an der TH Karlsruhe vermisste der aus kleinbürgerlichem Elternhaus stammende Ungers in den Nachkriegsjahren dagegen das theoretische Fundament: „Mich störte, dass bei Eiermann keine Bücher gelesen wurden.“ Um so gründlicher versicherte sich Ungers selbst seiner historischen Wurzeln und Quellen. Dabei verliebte er sich so sehr in das Reich der Ideen, dass seinen ausgeführten Bauten oft etwas Thesenhaftes anhaftet.

Das Diktum der Moderne, dass sich die Form aus der Funktion ableiten soll, ließ Ungers nicht gelten. Seine Architektur will in erster Linie Form sein, strenge Form. Ungers-Schüler wie Max Dudler, Hans Kollhoff oder Jürgen Sawade haben das rationalistische Bauen später in Berlin auf breiter Front durchgesetzt.

Ungers´ radikalste Bauten sind seine eigenen Häuser, der Bibliothekskubus an der Belvederestraße in Köln, die Häuser am Kämpchensweg und in der Eifel. Strenger, abstrakter und symmetrischer kann man nicht bauen. Jedes Möbelstück ist dort selbst Architektur, jedes Kunstwerk hat seinen unverrückbaren Platz. Alles scheint für die Ewigkeit gedacht. Wohl noch nie hat ein Architekt sich zu Lebzeiten so musealisiert wie Ungers, der jeden seiner ausgeführten Bauten als Modell für seine Sammlung nachbauen lässt. Gut möglich, dass daraus später tatsächlich ein Ungers-Museum wird. Eine entsprechende Stiftung, zumindest für die Bibliothek, existiert bereits.

Bis 7. Januar 2007
Di,Mi, Fr 10-18 Uhr
Do 11-18 Uhr
Sa, So 11-18 Uhr

Mehr unter
www.smb.spk-berlin.de