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Prunk und Kühle
Das wiedereröffnete Bode-Museum verschafft der Skulptur einen fulminanten Auftritt

Von Elke Linda Buchholz

Das größte Ausstellungsstück ist das Museum selbst. Das 1904 eröffnete Bode-Museum hat keine Scheu, sich als Kunstwerk zu inszenieren. Es bespiegelt sich im Wasser der Spree, aus dem seine Mauern unmittelbar aufsteigen. Reckt stolz es seine Kuppel in den Himmel und bildet mit neobarock-wilhelminischem Prunk einen großartigen Auftakt zur Berliner Museumsinsel. Die jetzt nach sieben Jahren abgeschlossene Generalsanierung hat dem einstigen Kaiser-Friedrich-Museum seine Pracht ungeschmälert zurückgegeben. 152 Millionen Euro haben die Arbeiten gekostet, getragen alleine vom Bund. Wer jetzt über die erst kürzlich rekonstruierte Monbijou-Brücke in das Prunkfoyer des Bode-Museums eintritt, gelangt auf eine Insel des seligen Kunstgenusses, die alle Verbindungen zu Gegenwart kappt. Also: Leinen los! Und kopfüber eingetaucht in mehr als tausend Jahre dreidimensionaler Kunst, von der Spätantike bis zum Klassizismus.

Im neu als Ausstellungsfläche hinzugewonnenen Untergeschoss herrscht die strenge und karge Kunst der Romanik. Trauernd drückt Maria ihr Tränentuch an die Wange. Unsäglicher Schmerz spricht aus ihrem hageren Antlitz. Doch für den Betrachter ist diese monumentale Holzskulptur aus der Zeit um 1220 ein Anlass zur Freude, denn nach 67 Jahren ist sie endlich wieder mit der dazugehörigen Figur des gekreuzigten Christus vereingt. Einst hingen beide in der Moritzkirche in Naumburg. Seit das Bode-Museum im Zweiten Weltkrieg geschlossen wurde, waren sie nicht mehr zusammen ausgestellt. Die Maria kam mit der Teilung Berlins in den Westen nach Dahlem, Christus nach Ostberlin auf die Museumsinsel. So würfelten die Zeitläufte die Bestände der Skulpturensammlung durcheinander. Die Verlustliste, die in Kürze veröffentlicht werden soll, ist lang. Doch was erhalten blieb, bildet eine der umfangreichsten und qualitätvollsten Sammlungen der älteren Skulptur in Europa. Nie zuvor waren ihre Bestände so umfassend zu bewundern. Endlich sind auch die Byzantinische Sammlung, die einzige ihrer Art in Deutschland, und das Münzkabinett als numismatische Sammlung von Weltrang wieder zu sehen.

Im hell einfallenden Tageslicht glitzert das im 6. Jahrhundert in Ravenna geschaffene Apsismosaik aus San Michele in Africisco in allen Farben. Auch die marmornen Reliefplatten, Sarkophage und feinen Elfenbeinarbeiten zeigen frisch restauriert ihre ganze Schönheit. Noch nie wirkte die frühchristliche Kunst der byzantinischen Sammlung so licht und heiter. Ganz zwanglos ergibt sich von hier in wenigen Schritten der Übergang zur Kunst der Gotik. Auch die kleine, großartige Madonna des Giovanni Pisano, um 1314 entstanden, sonnt sich im Licht, das ihre lebendigen Züge zart hervortreten lässt. Die farbig gefassten Holzfiguren des 15. Jahrhunderts vertragen weniger Helligkeit. Aber in den Kirchen, wo sie einst standen, herrschte auch eher dämmriges Licht. Frei und mächtig stehen die Schnitzaltäre im Raum. Mit ihrer schimmernden Farbigkeit in Gold, Rot und Hauttönen wirken sie wie dreidimensionale Gemälde und zugleich überraschend lebensnah. Man spürt die besondere Kraft der Skulptur: Sie tritt dem Betrachter als körperliches Gegenüber entgegen.

Die großzügig bestückten und ganz unterschiedlich geschnittenen Räume laden zum Flanieren ein. Da gibt es kleine Kabinette mit zierlichen Statuetten, mit Bozzetti, mit Entwurfsmodellen. Dann wieder öffnen sich weiträumige Hallen mit monumentalen freistehenden Arbeiten. Im Labyrinth der 66 Räume stiftet kein chronologischer Parcour Orientierung. Doch in die zweigeschossige Basilika mit ihrem hohen Tonnengewölbe findet man immer wieder zurück. Sie einer Florentiner Renaissance-Kirche nachempfunden und war für den Gründungsdirektor Wilhlem von Bode „die große Lunge zum frischen Durchatmen.“ Nur wenige Werke sind in den Wandnischen aufgestellt. Auch sonst lässt die Neuaufstellung der dreidimensionalen Kunst viel Raum zum Atmen. Manchmal zu viel.

Die zarten Arbeiten der Florentiner Frührenaissance etwa, Donatellos Pazzi-Madonna oder die wunderbaren Porträtköpfe von Mino da Fiesole oder Desiderio da Settignano scheinen zu frösteln in ihrem riesigen Saal, wo sich einst weit mehr Objekte drängten. Ursprünglich und noch zu DDR-Zeiten musste sich die Skulpturengalerie das Haus mit der Gemäldegalerie teilen. Nötig geworden war der Museumsbau in der Kaiserzeit durch das explosionsartige Anwachsen der Sammlungen seit der deutschen Reichsgründung. Dahinter stand vor allem ein Mann: Wilhelm von Bode. Er verstand es, finanzkräftige Mäzene wie den jüdischen Sammler James Simon zum Aufbau einer Sammlung von Weltrang heranzuziehen.

Wilhelm von Bode ist für den heutigen Museumsdirektor Arne Effenberger „unser aller Übervater“. Mit ihm und seiner vielgerühmten Ausstellungsgestaltung mussten sich die Museumsleute auseinandersetzen. Bodes Konzept mit seiner Mischung von Skulpturen, Gemälden, Kunsthandwerk und Möbeln in sogenannten „Stilräumen“ wollte man nicht einfach kopieren. Doch allenthalben ergänzen Gemälde die Skulpturen. Sie bringen Farbe in die Räume, vermitteln Zeitatmosphäre und schaffen im Idealfall in sich stimmige Raumkompositionen, in der jedes Kunstwerk das andere hebt und steigert. Am schönsten gelungen ist dies in den kleinen Kabinetten im Obergeschoss, in denen vor mattgrünem Fond Bronzestatuetten der Renaissance auf schweren Truhen oder Tischen aus derselben Zeit stehen, überfangen von passenden Gemälden. Hier lebt Bodes Konzept.

1700 Skulpturen und Kleinplastiken kombiniert die neue Daueraustellung mit 150 Bildern der Gemäldegalerie. Ein Verhältnis, in dem die dreidimensionale Kunst klar die Führung übernimmt. Mit gutem Grund: Denn so rückt die oft als spröde erlebte Skulptur glanzvoll in den Mittelpunkt. Und leitet vielleicht eine Neubewertung der Bildhauerkunst in der Publikumsgunst ein.

Ihren Hunger nach mehr Bildern werden künftige Generationen vielleicht durch einen kurzen Spaziergang aufs Ufer jenseits des Kupfergrabens stillen können. Dort soll einmal der Neubau der Gemäldegalerie stehen, die jetzt noch am Kulturforum untergebracht ist. Doch das ist Zukunftsmusik, wie der Präsident der Preußen-Stiftung Klaus-Dieter Lehmann zur Eröffnung erklärte. Vorerst stehen andere Aufgaben an. Mit dem Bode-Museum und der 2001 wiedereröffneten Alten Nationalgalerie sind erst zwei Häuser der Weltkulturerbe-Stätte Museumsinsel saniert. Unter Hochdruck wird an dem vom Krieg am stärksten zerstörten Neuen Museum gearbeitet. 2008 soll hier das Ägyptische Museum mit der Nofretete einziehen. Dann kommt das Pergamonmuseum an die Reihe. Am längsten muss Schinkels 1830 eröffnetes Altes Museum, das älteste Bauwerk der Insel, auf seine Sanierung warten. Doch der lange Atem lohnt, wie das Bode-Museum glanzvoll beweist. Seine vorzügliche Sanierung setzt Maßstäbe für den Umgang mit historischer Museumsbaukunst, auch international.

Öffnungszeiten: Di- So 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr
Mehr unter
www.smb.spk-berlin.de