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THEATERKRITIK

Die Katze auf dem heißen Blechdach
von Tennessee Williams. Premiere an der Schaubühne am 30. Januar 2007. Regie:Thomas Ostermeier. Mit Mark Waschke, Jule Böwe, Bettina Hoppe, Sepp Bierbichler, Kirsten Dene u. a.


Die Katze auf dem coolen Blechdach

von Michael Bienert

Homosexualität auf offener Bühne zu zeigen, war in den prüden Fünfzigern nicht so einfach. Der Dramatiker Tennessee Williams musste erhebliche Änderungen an seinem Stück vornehmen, damit „Die Katze auf dem heissen Blechdach“ ein Broadway- und Kinoerfolg wurde. Seinem traurigen Helden Brick, der am Tod eines Jugendfreundes zerbricht, wurde ein heterosexuelles Happyend aufgezwungen. Zuletzt söhnt er sich mit seiner Ehefrau Maggie aus, die den Freund mit in den Tod getrieben hat.

In der heutigen Schwulenhauptstadt Berlin sind derartige Verrenkungen nicht mehr nötig. Bei der Premiere an der Schaubühne sitzt das größte Schwulenmagazin als Medienpartner mit im Boot. Der bekennend homosexuelle Bürgermeister mischt sich mit seinem Lebensgefährten unters bunte Volk. Gespielt wird die unzensierte Urfassung des Stücks in einer rabiaten Neuübersetzung. „Hast Du eine Negerfotze genagelt?“ muß sich Brick von seinem Vater fragen lassen. Maggie liegt dem versoffenen Gatten mit ihrem Eisprung in den Ohren, den sie nicht ungenutzt lassen will. Beim Umkleiden schildert sie die Vorteile eines Sexpartners, der nur mäßiges Interesse an Frauen hat. Kein Zweifel, der verkappte Schwule Brick war mal der perfekte Liebhaber. Und das wenige, was man vom Schwulenleben hört, klingt allemal appetitlicher als alle Berichte aus ehelichen Schlafzimmern.

„Du Sohn einer Mastsau“, raunzt Big Daddy den armen Brick (Mark Waschke) an, der stumm eine lange Aussprache unter Männern über sich ergehen lassen muß. In Berlin tritt der Südstaatenfarmer Big Daddy als Kraftnatur aus den bayrischen Wäldern auf, eine Traumrolle für Sepp Bierbichler. Saukomisch, wie dieser Tatmensch über alle Ungerechtigkeit der Welt schwadroniert und bei rassistischen Stammtischsprüchen gegen den Guantanamohäftling Kurnaz landet. Anrührend, wie unter dem hilflosen Gepolter des Vaters die Sehnsucht nach der Liebe des Sohnes durchscheint. Bierbichler leiht nicht nur der todkranken Figur, er gibt der sonst sehr unsentimentalen Inszenierung eine Seele.

Kirsten Dene ist Big Daddys reichlich tüdelige Gattin. Außer „Halts Maul!“ hat der Alte nach vierzig Jahren Ehe nicht mehr viel für die Mastsau übrig. Big Mama wahrt die äußere Form, erst als der baldige Krebstod des Mannes zur Gewißheit wird und der habgierige Sohn Gooper (Christoph Gareisen) sie bedroht, wird sie resolut. Wie die fünf Kinder ist Gooper eine Marionette in den Händen seiner Frau Mae. Unter ihrer Lockenperücke versteckt sich eine boshafte Hyäne (Bettina Hoppe). Als ihre Erbschleicherei misslingt, kreischt sie die Wahrheit über Bricks und Maggies Kinderlosigkeit hysterisch heraus und fetzt der Konkurrentin Big Daddys gigantische Geburtstagstorte ins Gesicht.

Die Familientragödie kippt in solchen Momenten ins Komische, ein Glück, das macht sie erst genießbar. Düster und dräuend wirkt Jan Pappelbaums Bühnenbild mit einem in eine Glasfassade gesperrten lebenden Raben auf einem abgestorbenen Baumast, unheimlich sind die großen Videoprojektionen von Kampfflugzeugen und krabbelnden Käfern. Spannung aber gewinnt Thomas Ostermeiers Inszenierung durch ihr boulevardeskes Tempo, das Über- und Unterspielen aller Tränenseligkeit. Kaltblütig räumt Maggie (Jule Böwe) am Ende die Alkoholflaschen weg, um ihren Mann zum Sex zu zwingen. Der guckt sich lieber ein Autorennen im Sportfernsehen an. Das Licht geht aus, aber der Kampf geht weiter.


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