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THEATERKRITIK

Heil Hitler!
von Rolf Hochhuth. Premiere in der Berliner Akademie der Künste am 13. Januar 2007. Regie: Lutz Blochberger. Mit Ludwig Blochberger, Franzska Matthus, Nadja Petri, Rainer Kühn, Ingolf Müller-Beck, Uwe Fischer, Christian Weinberger, Thomas Arnold und der Bolschewistischen Kurkapelle.



Heilt Hochhuth!

von Michael Bienert

Ein Dramatiker, den kein Theater spielen mag, ist ein arme Sau. Es gab Zeiten, da risssen sich die Bühnen um Uraufführungen von Rolf Hochhuth, aber das ist lang, lang her. Der Mann hat Theatergeschichte geschrieben, erst in den frühen Sechzigern mit seinem „Stellvertreter“-Drama über die Verstrickung des Vatikans in die nationalsozialistische Judenverfolgung, dann Ende der Siebziger nochmals mit den „Juristen“, die zum Rücktritt des ehemaligen Nazirichters und Ministerpräsidenten Filbinger führten. Der Erfolg Hochhuths beruhte freilich nicht so sehr auf seiner Originalität als Dramatiker, eher schon auf der Chuzpe, mit der er gesellschaftliche Tabuzonen ins Rampenlicht zerrte.

Inzwischen ist die Selbstaufklärung der Deutschen über ihre Nazivergangenheit stetig weitergegangen, die Altnazis in gesellschaftlichen Schlüsselpositionen sind allesamt pensioniert oder tot. Und das Theater hat den biederen Realismus und die traditionelle Dramaturgie, in der Hochhuth seit seinen Anfängen verharrt, weit hinter sich gelassen. Der knorrige alte Mann glaubt aber immer noch, dass man mit einem hochschnittartigen Lehrstück über die Nazizeit sinnvoll Aufklärung betreiben kann.

Als Alternativprogramm zu Dani Levys trashiger Hitler-Filmkomödie hat Hochhuth am Wochenende sein Stück „Heil Hitler“ zur Uraufführung gebracht. Am Berliner Ensemble, dessen Miteigentümer Hochhuth ist, wollte man das Stück nicht spielen. Die Proben für eine geplante Uraufführung am Weimarer Nationaltheater wurden im vergangenen Jahr abgebrochen. Sie fand nun mit einer freien Truppe in der Berliner Akademie der Künste statt, deren Mitglied Hochhuth ist. Der Autor soll, so wurde gemunkelt, die aufwändige Produktion aus eigener Tasche finanziert haben.

Das Beste daran: Noch ein Hitler aus der Theaterschmierenkiste bleibt uns erspart. Hauptfigur ist ein Junge, dessen Vater im KZ ermordet wurder, weil er den Hitlergruß verweigerte. Der Junge rächt sich am System, indem er sich als fanatischer Nazi gebärdet, der jeden zusammenschlägt, der den Hitlergruß verweigert. Statt an der Front landet er so in der Irrenanstalt, wo er sich mit dem von den Nazis ermordeten Dichter Jakob van Hoddis anfreundet. Eine Irrenärztin fängt mit dem Jungen ein Verhältnis an und hilft ihm, in einem Akt von Selbstjustiz den Denunzianten seines Vaters umzubringen. Diese „Tragikomödie“ ist weder besonders komisch noch tragisch, sondern einfach nur hölzern: eine dramatische Kopfgeburt.

Der Fairness halber sei erwähnt, dass man den lebhaften jungen Hauptdarsteller Ludwig Blochberger gerne in einer Rolle ohne kurze Hosen wiedersähe. Thomas Arnold hat ein paar anrührende Momente, wenn er Verse von Jakob van Hoddis oder Rilke sprechen darf und sich nicht mit den Papierhülsen Hochhuths abquälen muß. Rainer Kühn als fanatischer Nazi und väterlicher Leiter der Irrenanstalt überdreht sein Figur derart, dass sie dann doch zu schillern beginnt. Schade um das äußerst zweckmässige Einheitsbühnenbild von Stephan Besson, aber vielleicht kann man den grauen Kasten mit schiefen Wänden noch für ein anderes Stück wiederverwenden. Der Regisseur Lutz Blochberger lässt das Stück halb in der Vergangenheit, halb in der Gegenwart spielen, diese Unentschiedenheit rettet den Abend allerdings sowenig wie die schmissigen Zwischenaktmusiken der Bolschwewistischen Kurkapelle.

Nach soviel Blech wünscht man sich nur noch eins: Eine Nazipause auf deutschen Bühnen, Leinwänden und Fernsehschirmen. Und wenn denn unbedingt eine Hitlerkomödie sein muß: Warum wird dann nicht landauf, landab „Mein Kampf“ von George Tabori wiederaufgeführt? Es ist doch nicht so, dass es einen Mangel gäbe an wirklich gescheiten Dramen und Filmen über die braune Pest.



Bisher sind keine weitere Aufführungstermine geplant, näheres unter www.ensemble-blochberger.de
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