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AUSSTELLUNG HANS HAACKE IN HAMBURG UND BERLIN

Reflexionen in den Zonen der Macht

Von
Elke Linda Buchholz

Wer bei Hans Haacke ein Werk in Auftrag gibt, kann sicher sein, dass er nicht das bekommt, was er erwartet. Die Berliner Akademie der KŸnste lud den KŸnstler ein, anlŠ§lich seiner ersten gro§en Werkschau in Deutschland eine Installation fŸr ihr GebŠude am Pariser Platz zu schaffen. Kurator Matthias FlŸgge dachte dabei an die Geschichte seiner Institution, die im 20. Jahrhundert Schauplatz wechselnder politischer Einflussnahmen war.

Jetzt prangen an der glŠsernen Akademiefassade schwarz auf wei§ 46 Namen mit Geburts- und Todestag: Amadeu Antonio Kiowa (28 Jahre), Miya Makodila (12 Jahre), Ahmet Sarlak (19 Jahre), und so weiter. Erschlagen, verbrannt, erstochen, ãweil sie nicht deutsch aussahenÒ, wie die †berschrift lapidar erklŠrt. Das letzte Feld am Ende der Reihe ist noch frei und jeder wei§: Dies ist kein abgeschlossenes Kapitel der deutschen Geschichte. Wenn Hans Haacke sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt, landet er immer in der Gegenwart.

Seine Installation mit dem Titel ãKein schšner LandÒ sieht er als Weiterentwicklung seiner heftig umstrittenen Arbeit im nur wenige Schritt entfernten ReichstagsgebŠude. Dessen Widmungsinschrift ãDem deutschen VolkeÒ aktualisierte und entnationalisierte er zu ãDer BevšlkerungÒ, eine Anregung von Bertolt Brecht aufgreifend. VergnŸgt verfolgt Haacke, wie der in den Boden eines Innenhofes eingelassene Schriftzug mittlerweile von allerlei Pflanzen umrankt wird, die aus der mitgebrachten Heimaterde der Abgeordneten sprie§en. Das Biotop entwickelt sich wildwŸchsig, wie von Haacke vorgesehen: ãNur die Brombeeren sind etwas rabiat.Ò

Mit solchen frei sich entfaltenden ãEchtzeitsystemenÒ hat Haacke bereits drei§ig Jahre zuvor experimentiert, noch bevor er sich als politischer KŸnstler profilierte. So setzte er Aussstellungsbesuchern ein Wasserbecken mit lebenden Fischen vor die FŸ§e, die sich in gefiltertem Rheinwasser tummelten, oder er lie§ Ameisen ihre wohlorganisierten Gesellschaftssysteme vor den Augen des Kunstpublikums bauen. In den Hamburger Deichtorhallen, wo jetzt (parallel zur Berliner Akademie-Schau) der zweite, weit umfangreichere Teil der Retrospektive gezeigt wird, hat er seinen von echten Weizensprossen ŸbergrŸnten ErdhŸgel von 1969 rekonstruiert.

Hans Haackes zum Teil noch nie gezeigte FrŸhwerke sind eine †berraschung. In den 60er Jahren debŸtierte er im Umfeld der ZERO-KŸnstler mit abstrakten Objekten aus Spiegelfolie, Plexiglas und Licht. Welcher Weg fŸhrt von diesen strengen Licht-Glas-Spielereien zu den skandaltrŠchtigen politischen Eingriffen, mit denen Haacke spŠter Aufsehen und €rger erregte? Ein konsequenter: Stets denkt Hans Haacke in Systemen, betreibt Grundlagenanalyse. Untersuchte er anfangs GrundkrŠfte wie Wasser, Wind, Luft, Temperatur, Pflanzenwachstum, so ging er bald zu sozialen Systemen Ÿber. Nahm die Biotope der Wirtschaft in den Blick, die im Verborgenen blŸhen und sich unbemerkt von der …ffentlichkeit mit den Gefilden des Kunstbetriebs verflechten.

Zu einem SchlŸsselerlebnis fŸr Haacke wurde der Skandal um seine erste Museumsausstellung im New Yorker Guggenheim-Museum 1971. Sie wurde kurz vor der Eršffnung abgesagt, da der Direktor sich weigerte, Haackes akribisch recherchierte Arbeit Ÿber die New Yorker Immobilienholding Shapolsky und deren lukratives System von Hypotheken und GrundstŸcksverkŠufen auszustellen. Er fŸrchtete um das Wohlwollen seiner MŠzene, auf die er angewiesen war. Ein Fall von Zensur, wie man ihn gemeinhin eher aus totalitŠren Staaten kennt. Fortan schaute Haacke genauer auf die Verflechtungen von Geld und Kunst, von wirtschaftlicher Macht und Museumsbetrieb.

Nicht weniger sensibel als die FŸhrungsriege des New Yorker Museums reagierte ãDer PralinenmeisterÒ Peter Ludwig auf Haackes EnthŸllungsstrategien. Das breit angelegtes Kunstengagement des Schokoladenproduzenten mit seinen zahlreichen MuseumsgrŸndungen, umfangreichen AnkŠufen und Leihgaben erschien nŠmlich plštzlich als eiskalt kalkulierte Investition. Wie brisant die schlichte Auflistung der Vorbesitzer eines Spargel-Stillebens und ihrer Biographien sein konnte, zeigte Haackes ãManet-ProjektÒ, das auch die NS-Vergangenheit des Bankmanagers Hermann J. Abs dokumentierte. Das Kšlner Wallraf-Richartz-Museums lehnte das fŸr seine JubilŠumsausstellung 1974 geplante Projekt ab, obwohl es nach Ansicht des Kurators ãeines der besten eingesandten Projekte ŸberhauptÒ war.

Indem Haacke ausschlie§lich frei zugŠngliche Fakten und Zitate seiner Protagonisten verwendete, machte er sich juristisch unangreifbar. Seine persšnliche UnabhŠngigkeit sicherte die DozententŠtigkeit an einer Kunstschule. Bei der Werkschau in Hamburg und Berlins machte er den Verzicht auf Sponsorengelder zur Vorbedingung. Sie wurde von der Bundeskulturstiftung und somit aus den Steuergroschen aller BŸrger finanziert.

Haackes Arbeiten wirken auf den ersten Blick oft kunstlos, simpel, manchmal geradezu platt. Sie gleichen sich der SphŠre der Werbung, der Plakate, Firmenlogos und nŸchternen SchriftsŠtze so vollstŠndig an, dass ihre formale PrŠzision nahezu unbemerkt bleibt. Listig und subversiv steuern sie Wahrnehmung und Assoziationen der Betrachter schon allein durch die Wahl der Schrifttypen. Auch nach Jahrzehnten bewahren sie ihre AktualitŠt, und ihre inhaltliche Zielgenauigkeit tritt umso schŠrfer hervor. Seine besten Arbeiten konzipierte Haacke fŸr konkrete Orte, etwa fŸr den deutschen Biennale-Pavillon in Venedig, dessen von den Nazis verlegten Travertinboden er 1993 aufbrach, was mit dem Goldenen Lšwen honoriert wurde. Davon kann die Retrospektive nur eine schwache Vorstellung vermitteln.

JŸngst wurde in Berlin sein ãDenkzeichen Rosa LuxemburgÒ eingeweiht, das aus 60 in die Stra§e eingelassenen privaten und politischen Zitaten von ihr besteht. In seinen neuesten Arbeiten unter dem Titel ãState of the UnionÒ nimmt der 70jŠhrige KŸnstler, der seit 1966 in den USA lebt, die amerikanische Politik aufs Korn, manchmal allzu plakativ.


Umso frischer wirkt eine Serie von Schwarzwei§fotos aus dem Jahr 1959, die der Kunststudent auf der 2. Documenta in Kassel ablichtete. Sie zeigen ratlos im Katalog blŠtternde WirtschaftswunderbŸrger vor abstrakten GemŠlden, PetticotmŠdchen vor Pollock, Verbindungsstudenten im vollen Wichs und Kinder, die lieber Micky Maus lesen als Kandinsky zu betrachten. Eines war schon damals klar: Hans Haacke interessierte nicht die Kunst im luftleeren Raum. Sondern das Kommunikationssystem Kunst, ihre Beziehung zu den Menschen, die sie betrachten, definieren, zur Ware machen und instrumentalisieren. Denn Kunst ist niemals nur Kunst.

Deichtorhallen Hamburg bis 4.2.2007, Di-So 11-18 Uhr
Akademie der KŸnste Berlin bis 14.1.2007, Di-So 11-20 Uhr
www.adk.de
Katalog im Richter Verlag DŸsseldorf